Domestikation des Haushundes

Als Domestikation bezeichnet man den Prozess der Haustierwerdung.
Lange Zeit war man sich uneins in der Forschung und Wissenschaft, woher der Hund nun tatsächlich stammt. Es gab Mutmaßungen, er könne vom Goldschakal oder Kojoten abstammen oder aber eben vom Wolf. Inzwischen ist sich die Wissenschaft sicher: Er stammt vom Wolf ab und hat sich vermutlich irgendwann parallel in unterschiedlichen Regionen der Welt entwickelt. Einige Wissenschaftler wie Eberhard Trumler oder Helmut Hemmer gehen davon aus, daß der Südwolf der ursprüngliche Ahn des heutigen Haushundes ist. Trumler stellt dazu fest: "Da es aber den Dingo in Form von Pariahunden im ganzen orientalischen Raum gibt - und Haushunde sind diesbezüglich identisch - und da die frühesten Kulturen der Menschheit dort entstanden sind, dann kann man wohl schließen, daß unsere Hunde im Orient entstanden sind." (Eberhard Trumler: Meine wilden Freunde S.42). 
Untersuchungen von DNA-Sequenzen bei amerikanischen, asiatischen und europäischen Hunden weisen darauf hin, daß sie die gleichen Vorfahren gehabt haben müssen. 

Domestizierte Tiere unterscheiden sich im Wesentlichen von ihrer ursprünglichen Wildform durch eine große gestaltliche Vielfalt und unterschiedliche Erscheinungsformen. Die Wildform hingegen ist in der Regel in ihrer Population sehr einheitlich in Größe, Form, Farbe und Erscheinung. So gibt es bei den Haushunden große und kleine, schlanke und Breitwuchstypen, langhaarige und kurzhaarige, ja sogar haarlose Tiere. Es gibt lange und kurze Ruten, Ringelschwanztypen und auch Schwanzlosigkeit. Auch in der Schnauzenlänge und den Körperproportionen gibt es eine Vielzahl von Variationen. Besonders auffällig ist die Vielfalt in den verschiedenen Farbvariationen und Fellstrukturen. Locken, Stockhaar und Langhaar und Kurzhaar, Farben von hell bis dunkel, gescheckt und uni. Jede Abweichung von der Wildform entsteht durch Mutationen also Änderungen von Erbinformationen und Bildung neuer Allele. So wird die genetische Vielfalt angereichert. Wölfe hingegen haben sehr viel weniger Variationen hinsichtlich Fellfarbe, Größenunterschiede oder der Form der Rute. Während in der Natur und bei den Wildformen unserer Haustiere die Mutanten, die sich vor allem in äußeren Merkmalen vom "Normalen" unterscheiden, oft nicht zur Fortpflanzung kommen, suchen Menschen in ihrem züchterischen Bestreben immer genau diese Mutationen aus, um diese zu vermehren. So kann es in der Natur nicht zu einer solch großen Vielfältigkeit kommen, sehr wohl aber menschengemacht bei den Haustieren.

Diese bunte Vielfalt des gesamten Erscheinungsbildes des Hundes stellt die Grundlage für die Rassehundezucht, bei der durch den Rassestandard genau diese Merkmale festgestellt und vorgegeben werden. 
Als Rasse benennt man eine "Gruppe von Individuen einer Art, die sich in einer Reite von als rassetypirsch betrachteten Merkmalen untereinander sehr ähnlich sind, sich aber von anderen Individuen der gleichen Art in ihrem speziellen Merkmalskombinat deutlich unterscheiden." (Helmut Hemmer: Domestikation S.23)

Warum genau der Wolf sich dem Menschen angeschlossen hat und zum Hund wurde, ist nach wie vor nicht geklärt. Es gibt zwei Erklärungsmodelle, die in der Wissenschaft immer wieder auftauchen: Er hat seine Scheu verloren, um mit dem Menschen jagen zu gehen oder weil er durch die Hinterlassenschaften der Menschen einfacher an Nahrung gelangte, die er sonst mühsam hätte fangen müssen. Wenn man sich die Grundbedürfnisse eines Säugetieres und vor allem des Hundes und auch des Wolfes ansieht, dann geht es tatsächlich um Nahrungserwerb als eines der elementarsten Grundbedürfnisse. Dieses steht noch höher im Rang als Sozialverhalten oder die Fortpflanzung. Es liegt also nahe, daß der Wolf zur Stellung dieses Bedürfnisses sich dem Menschen angeschlossen hat. welches Grundbedürfnis allerdings bei diesen Überlegungen vollkommen außer Acht gelassen wird, ist das nach Sicherheit. Der Wolf muß sich dort, wo er sich aufhält, sicher fühlen, sonst kommt es nicht dazu, die anderen Grundbedürfnisse zu erfüllen. Nur dort, wo er sicher ist, kann er jagen und seinen Nachwuchs aufziehen. Sicherheit ist ein noch größeres Bedürfnis als Nahrungsaufnahme.
Schaut man zu anderen Tieren, die als Kulturfolger des Menschen gelten wie zum Beispiel Wildschweine in den Großstädten oder auch Rehwild in ländlichen Randbezirken, dann stellt man fest, daß diese sehr genau den Lebensrhythmus des Menschen beobachten und sich dem auch anpassen. So findet man zum Beispiel den eigentlich nachtaktiven Fuchs bereits tagsüber frech über die Straßen laufen. Es kommt also schon innerhalb weniger Generationen zu möglicherweise auch epigenetischen Anpassungen an die Umwelt. Außerdem lernen Wildtiere auch Gefahren einzuschätzen. Wie anders sollte das geschehen, wenn nicht durch Beobachtung? Jeder Jäger weiß ein Lied davon zu singen, daß die Rehe, wenn er auf dem Ansitzt hockt, wie vom Erdboden verschwunden sind. Selbstverständlich spielt hier auch der Gewöhnungseffekt eine große Rolle, im Umgang mit dem Menschen als Feind oder Konkurrent aber mit Sicherheit auch Beobachtung. Wölfe und Hunde sind von ihren Sinnesorganen her sehr gut ausgestattet. Das Warnsystem läuft in einer Kombination von einem ausgeprägten Sehsinn mit Restlichtausnutzung vor allem in der Dämmerung, über die akustische Wahrnehmung und den Geruchssinn. Selbstverständlich werden diese Sinne nicht nur für die Jagd eingesetzt, sondern auch für die sensible und frühzeitige Wahrnehmung von Gefahren.
Menschen hingegen haben diese Wahrnehmungen nicht in dieser ausgeprägten Sensibilität, aber sie hatten andere Strategien zur Feindabwehr: Sie traten in Gruppen zur Verteidigung an und sie hatten Feuer und Waffen. Gemessen an den körperlichen Fähigkeiten zur Wahrnehmung und Verteidigung waren Menschen früher schon einem Bären oder auch Wolf nicht wirklich gewappnet. Sehr wohl aber in der Gemeinschaft und mit Unterstützung des Feuers und der Speere.
Könnte es nicht auch zudem so gewesen sein, daß der Wolf in der Nähe des Menschen weniger Feinde zu fürchten hatte? Der Mensch also indirekt für seine Sicherheit gesorgt hat? Der Wolf sich Stück für Stück dem Menschen genähert hat, in friedlicher Absicht, weil er von dessen Sicherheitsgewährleistung profitieren konnte, je dichter er kam?
Noch bis heute ist es so, daß wir einsame Hunde retten und ihnen Sicherheit geben wollen, man denke nur an den Auslandstierschutz, wenn Hunde von der Straße geholt werden, weil sie einsam und verlassen ihren Alltag bestreiten.




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